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Positive Psychologie – eine junge Wissenschaft mit viel Potenzial

14. Jan 2025Maya Onken

Positive Psychologie ist eine vergleichsweise junge Wissenschaft, die sich mit einer zentralen Frage beschäftigt: Was läuft im Leben gut? Von der Geburt bis zum Tod und mit allen Zwischenstationen dazwischen widmet sie sich den Aspekten, die das Leben gelingen lassen. Die Frage nach dem guten Leben ist dabei keineswegs neu. Bereits Denker und Weisheitslehrer wie Konfuzius, Laotse, Buddha, Jesus, Mohammed, Thomas von Aquin und viele andere haben sich über Jahrtausende hinweg damit beschäftigt: Was braucht es für ein erfülltes und gutes Leben?

Einen Wendepunkt in der akademischen Psychologie brachte jedoch erst 1998 der US-amerikanische Psychologieprofessor Martin Seligman. Als Präsident der American Psychological Association lenkte er die Aufmerksamkeit seiner Disziplin in eine neue Richtung. Während die Psychologie bis dahin primär auf Pathologien und psychische Störungen fokussiert war, stellte Seligman die Frage: Was funktioniert gut bei den Menschen? Was macht sie glücklich, zufrieden und erfolgreich? Anstatt nur die Schwächen, Krankheiten oder genetischen Belastungen der Menschen zu untersuchen, plädierte er dafür, ihre Stärken, ihre Ressourcen und das, was sie gesund und widerstandsfähig macht, in den Mittelpunkt zu stellen.

Dabei geht es in der Positiven Psychologie keineswegs um bloßes «Positivdenken» oder um ein ständiges Lächeln. Sie ist keine oberflächliche «Happylogie». Ihre Wurzeln reichen vielmehr tief: Bereits die humanistische Psychologie hat mit ihrem Fokus auf Potenzialentfaltung und Selbstaktualisierung erste Schritte in diese Richtung gemacht. Doch unter Seligmans Einfluss wurde nicht nur der Fokus geschärft, sondern auch die Forschung intensiviert.

Seligman betonte, dass die Wissenschaft oft nur das Negative oder Problematische hervorhebt: die Unfälle, die Fehler oder die Krankheiten. Doch wie oft sprechen wir über die Menschen, die tagtäglich sicher Auto fahren, oder über jene, die erfolgreich eine neue Sprache lernen? Die Positive Psychologie möchte genau diesen «unsichtbaren» Aspekten Raum geben: den Stärken, den Erfolgen und dem, was Menschen wachsen und gedeihen lässt.

Es wurden zahlreiche Konzepte entwickelt und wissenschaftlich untersucht, von denen ich eines nun näher beleuchten möchte.

Wohlbefinden ist ein vielschichtiges Konzept, das sich aus mehreren Faktoren zusammensetzt. Martin Seligman hat ein Modell entwickelt, das aus fünf zentralen Elementen besteht und unter dem Akronym PERMA bekannt wurde (Seligman, 2015).

PERMA-Modell nach Martin Seligman

Das Modell beschreibt, wie verschiedene Elemente unabhängig voneinander zum Wohlbefinden beitragen, während ihr Zusammenspiel essenziell ist, um ein erfülltes Leben zu erreichen. Seligman verwendet die Metapher des Wetters, um diesen Zusammenhang zu veranschaulichen: So wie verschiedene Faktoren wie Luftdruck, Temperatur und Windgeschwindigkeit zusammenwirken müssen, um Wetter entstehen zu lassen, tragen auch die fünf Elemente des PERMA-Modells gemeinsam zum Wohlbefinden bei.

Das Modell lässt sich auf verschiedene Lebensbereiche anwenden – sei es im Privatleben, im Klassenzimmer oder am Arbeitsplatz. Diese Elemente sind entscheidend, um unser subjektives Wohlbefinden zu steigern.

Die fünf Elemente des PERMA-Modells:

P = Positive Emotionen
Positive Emotionen spielen eine zentrale Rolle für unser Wohlbefinden. Sie sorgen nicht nur für Zufriedenheit, sondern fördern auch Kreativität und Resilienz.
Die Psychologin Barbara Fredrickson hat in ihrer Broaden-and-Build-Theorie (Fredrickson, 2011) gezeigt, dass Menschen, die positive Emotionen erleben, offener für neue Ideen sind und leichter Lösungen für Probleme finden. Positive Emotionen erweitern den Blickwinkel und fördern persönliche Weiterentwicklung. Zudem helfen sie uns, in Stresssituationen belastbarer zu bleiben.
Eine zentrale Frage lautet: Wie kann ich mehr positive Emotionen in mein Leben bringen oder die bestehenden vertiefen?

E = Engagement (Einsatz)
Wenn wir uns einer Aufgabe widmen, die uns fordert und begeistert, erleben wir einen Zustand völliger Vertiefung – den sogenannten Flow (Csikszentmihalyi, 2008). Dieser Zustand entsteht, wenn die Herausforderung genau im richtigen Maß liegt: weder zu einfach noch zu überwältigend.
Hobbys sind oft ein gutes Beispiel dafür. Wer beispielsweise tanzt, bleibt selten auf dem Einsteigerniveau stehen, sondern sucht sich zunehmend anspruchsvollere Herausforderungen.
Die Frage lautet: Wo und wie kann ich mich so engagieren, dass ich ganz in einer Tätigkeit aufgehen kann?

R = Relationships (positive und stabile Beziehungen)
«Nur sehr wenig von dem, was positiv ist, ist einsam.» (Seligman & Schuhmacher, 2012, S. 23). Menschen streben von Natur aus nach Gemeinschaft und Zugehörigkeit. Positive, stabile Beziehungen sind essenziell für unser Wohlbefinden. Konflikte oder der drohende Verlust wichtiger Beziehungen können dagegen erhebliches inneres Leid verursachen. Umgekehrt fühlen wir uns sicher, geborgen und glücklich, wenn wir uns zugehörig fühlen – sei es in der Familie, im Freundeskreis oder in Partnerschaften.
Die Frage lautet: Wie erlebe ich positive und stabile Beziehungen? Wie kann ich sie stärken und pflegen?

M = Meaning (Sinnhaftigkeit)
Ein Leben ohne Sinn erscheint oft leer und uninspiriert. Aktivitäten und Aufgaben, die wir als sinnvoll erleben, steigern unser Wohlbefinden erheblich. Sinn kann in kleinen oder großen Dingen liegen: Vom gemeinsamen Kochen mit einem Partner bis hin zur Arbeit an einem gesellschaftlich relevanten Projekt.
Die Frage lautet: Was gibt meinem Leben Sinn? Wie kann ich die Sinnhaftigkeit in meinen täglichen Aktivitäten steigern?

A = Accomplishment (Zielerreichung)
Erfolgserlebnisse, selbst bei kleinen Aufgaben, tragen wesentlich zu unserem Wohlbefinden bei. Ein fertiger Kuchen im Ofen, ein erfolgreich abgeschlossenes Projekt oder das Lernen einer neuen Fähigkeit – all diese Erlebnisse stärken unser Selbstwertgefühl und motivieren uns, weiterzumachen. Ein Mangel an Erfolgserlebnissen, wie er häufig bei repetitiven Tätigkeiten entsteht, kann hingegen frustrierend wirken.
Die Frage lautet: Wie kann ich gezielt Erfolge erleben und meine Wahrnehmung dafür schärfen?

Das PERMA-Modell bietet eine vielseitige Grundlage, um Wohlbefinden bewusst zu gestalten. Durch das Verständnis und die Anwendung dieser fünf Elemente können wir in verschiedenen Lebensbereichen – von der persönlichen Entwicklung bis zur Arbeit in Teams – gezielt positive Veränderungen bewirken.

Wenn du Lust hast, zwei Interventionen aus der Positiven Psychologie auszuprobieren, dann lade hier das PDF dazu herunter.

Literaturverzeichnis
Csikszentmihalyi, M. (2008). Flow. Das Geheimnis des Glücks (14. Auflage). Klett-Cotta.
Fredrickson, B., Nuber, U., & Fredrickson, B. (2011). Die Macht der guten Gefühle: Wie eine positive Haltung ihr Leben dauerhaft verändert. Campus-Verlag.
Seligman, M. (2015). Wie wir aufblühen. Die fünf Säulen des persönlichen Wohlbefindens. (9. Auflage). Goldmann.
Seligman, M. E. P., & Schuhmacher, S. (2012). Flourish—Wie Menschen aufblühen die Positive Psychologie des gelingenden Lebens. Kösel-Verlag <München>.

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